Es klingt alles ein wenig nach Schlaraffenland: Wenn sich Nebel und Kälte über das Land legen erwacht der Garten plötzlich als üppiger Vitaminspender: Frisches Gemüse ernten – von Oktober bis in den März hinein, verspricht der Wiener Gemüseexperte Wolfgang Palme. Seit mehr als zehn Jahren erforscht er an der Höheren Bundeslehr- und Forschungsanstalt für Gartenbau in Schönbrunn den Gemüseanbau im Winter und hat nun seine Erkenntnisse im ersten ausführlichen Buch „Frisches Gemüse im Winter ernten“ (Verlag Löwenzahn, € 29,90) auf fast 400 Seiten zusammengefasst.

Weg von Importen und Glashäusern mit Kunstlicht und Heizung

Palmes Ziel ist es, sich von Importen, aber auch von aufwändig im Glashaus mit Kunstlicht und Heizung gezogenem Gemüse zu verabschieden und das saisonale Denken in den Mittelpunkt zu stellen. „Wer meint, dass der Tisch, dann nicht abwechslungsreich gedeckt ist, der irrt sich“, sagt Palme und zeigt an Hand seiner Forschungen, dass 77 Pflanzen auch bei uns im Winter gezogen werden können – ohne Gewächshaus oder aufwändiger Heizung. Kopfsalat, Mangold, Sauerampfer und die große Palette an Asiasalaten sind viel frostfester als angenommen. „Bis zu minus neun Grad hat Salat überlebt! Er war zerbrechlich wie Glas, aber nach dem Auftauen wieder voll verwendbar“, ist der Gemüseliebhaber von seinen Erkenntnissen begeistert.

Asias im Schnee

Asias im Schnee

Sanft und schrittweise

Freilich lässt sich nicht heute Salat setzen und morgen kann der Frost kommen. Alles muss hier sanft und schrittweise erfolgen. „Das langsame Abhärten ist einer der wichtigste Faktor“, sagte Palme der in der Cityfarm in Schönbrunn ein völlig neues Kapitel der urbanen Gemüsekultur aufgeschlagen hat. Weiters ist die Nährstoffversorgung wichtig: wird im Herbst zu viel gedüngt, dann „verweichlichen“ die Pflanzen und halten den Frösten nicht stand.

Salat im Schnee

Salat im Schnee

Interessant sind seine Erkenntnisse über die Eisbildung in den Pflanzen. „Bei Frost bilden sich innerhalb und außerhalb der Zellen Eiskristalle“, zeigen Palmes Experimente. Doch nur das „innerhalb der Zelle“ gebildete Eis ist gefährlich. Kommt der Frost langsam kann sich die Pflanze helfen und legt die Zellen „trocken“, denn das Eis außerhalb ist für einige Zeit unproblematisch. So überlebte der Salat eben auch neun Grad Minus! Das Auftauen sollte dann ebenfalls langsam erfolgen, dann kann das Gemüse problemlos verarbeitet werden. Auf den Geschmack wirkt sich die Kälte unterschiedlich aus, „so wird Mangold ein wenig fasriger, Kohlrabi dagegen schmeckt besonders zartschmelzend“, ist Palme so begeistert, dass er Profis und Hobbygärtner animiert diese ökologische Alternative zu Heizöl und Kerosin Vergeudung zu versuchen.

Frühbeet im Winter

Frühbeet im Winter

Salate, die dem Frost trotzen

  • „Neusiedler Gelber Winter“ (Austrosaat) – ostösterreichische Sorte mit hellen, zarten Blättern
  • „Winterbutterkopf“ (Samen Maier, Kiepenkerl) – Traditionssorte mit gelblichen Blättern und festen Köpfen
  • „Winterhäuptel“ (Arche Noah) – locker rot-grüne Köpfe
  • „Zimska Salata“ (Arche Noah) – kroatischer Winterkopfsalat, locker Köpfe
Kopfsalat im Eis

Kopfsalat im Eis

Die Versuche haben gezeigt, dass Salate, so lange sie nicht geschlossene Köpfe aufweisen, deutlich frostfester sind. Im kalten Frühbeet sind die Erfolge am größten, da hier die Temperatur gleichmäßig und langsam absinkt. Bei allen Salaten gilt: Niemals berühren so lange sie gefroren sind, denn da zerbrechen die Blätter, wie Glas und faulen beim Auftauen.