Eingeweiht hat mich in die Geheimnisse des Veredelns ein Mann, der in seinem Leben schon zehntausende Bäume veredelt hat. Helmut Stundner, der Landesgartenfachberater des Siedlerverbandes aus Edt bei Lambach. Was bei ihm wie Spielerei aussieht ist freilich gar nicht so leicht. Stundner rät daher: üben, üben und nochmals üben. Am besten mit Weidentrieben, da bekommt man allmählich die richtige Schnittführung in den Griff.

Am einfachsten und sichersten ist die so genannte Geißfußveredelung. Dafür schneidet man beim Baum, der veredelt werden soll („Wildling“) einen dicken Ast ab. Ein sauberer Schnitt ist notwendig. Dann benötigt man Edelreiser. Die muss man im Dezember an frostfreien Tagen schneiden und dann bei einer Temperatur von etwa minus ein Grad in einem Kühlschrank lagern. Jetzt geschnittene Reiser würden nicht mehr anwachsen.

Die Edelreiser müssen gut zehn bis 15 Zentimeter lang sein und sollten drei bis fünf Augen (also Knospen) haben. Nun schneidet man beim Wildling einen Keil aus dem Ast, das Edelreiser wird mit einem Gegenkeil ganz exakt eingefügt. Die Rinde muss glatt abschließen und es darf kein Zwischenraum entstehen. Als Messer darf nur ein echtes Veredelungsmesser verwendet werden, das eine spezielle Klinge hat, die nur an einer Seite abgeschrägt ist.

Nun kommt der wichtigste Teil: das regenfeste Abdichten des angefügten Astes. Früher verwendete man dazu Bast und Baumwachs. Das funktioniert freilich auch heute noch. Allerdings muss man dann im Laufe des Jahres wieder auf den Baum klettern und den Bast aufschneiden.
Helmut Stundtner hat deshalb vor Jahren eine geniale Idee gehabt: Er verwendet zum Einbinden Krepp-Klebestreifen, wie man sie bei Malerarbeit zum Abkleben verwendet. Wichtig ist, dass es ein Kreppstreifen ist, damit der Baum im Wachstum nicht behindert wird. Die Schnittstellen werden noch mit Lac-Balsam verschmiert und im Herbst, spätestens im Frühjahr löst sich das Klebeband dann von selbst und der Ast ist angewachsen.

Nach einigen Jahren sind der Wildling und der neue Trieb völlig verwachsen und kaum noch erkennbar. Mit dieser Methode lassen sich auf einen Baum gleich mehrere Sorten aufpfropfen. Gennant werden solche Obstbäumen dann Familienbäume. Generell bringt ein Veredeln viele Vorteile: Erstens wird die Befruchtung – vor allem bei Kirschen – verbessert, wenn mehrere Sorten an einem Baum sind. Außerdem kann mit so einer neuen Sorte ein alter Baum mit schlechten Eigenschaften und großer Krankheitsanfälligkeit zu einem interessanten Obstgehölz werden, ohne dass man den ganzen Baum ausgraben und neu pflanzen muss.

Erfahrung und Übung sind jedenfalls gefragt. Stundner „übt“ alljährlich im Frühjahr in einer Baumschule in Steinerkirchen an der Traun bei einigen hundert Obst und Zierbäumen und kann auf eine stolze Anwachsquote von weit über 95 Prozent blicken.