Seit 24 Jahren fahre ich Jahr für Jahr nach England um die Gärten zu bewundern. Viel habe ich dabei gesehen und gelernt. Dieses Jahr „lebte“ ich aber eine Woche in einem der berühmtesten Englischen Gärten: in „Great Dixter“. Sir Christopher Lloyd hat ihn gemeinsam mit seinem Head-Gardener Fergus Gerrett zu dem gemacht, was er heute ist: eine Pilgerstätte für Gartenenthusiasten aus allen Teilen der Welt, an der Grenze zwischen East-Sussex und Kent gelegen, südöstlich von London, nur wenige Meilen vom Ärmelkanal entfernt.
Genialer Kurs in Great Dixter
Der Kurs, den ich besuchte, war für mich eines der tollsten Erlebnisse, die ich in meiner Gartenkarriere je hatte. Gemeinsam mit sieben (!) Frauen (aus New York, Kalifornien, Kanada, Russland und England) durften wir Fergus über die Schulter blicken. Er führt gemeinsam mit einer Truppe von engagierten Gärtnerinnen und Gärtnern das Erbe des vor 6 Jahren verstorbenen „Christo“, wie er genannt wurde, fort. Die Erwartungen waren sehr groß, und – das kann ich nun, nach einigen Wochen der Rückkehr sagen – sie wurden deutlich übertroffen. Nicht zuletzt durch die unheimlich sympathische Truppe, die sich da in den ersten Februartagen gefunden hat.
Schon der Beginn war genial. Abholung durch die Dixter-Crew am Flughafen Heathrow – beim Meeting Point. Weil ich viel zu früh da war, streifte ich herum, sah eine ebenso herumirrende Frau mit Kofferwagen und sprach sie einfach an: „Great Dixter?“ Ja – das war ein Volltreffer. Wieso ich unter 200.000 Passagieren genau sie erwischt, ist uns beiden noch ein Rätsel. „Dabei hatte ich sogar die Fingernägel geputzt!“, erzählte sie wenig später der Gartenrunde. Alle waren wir ein wenig aufgeregt. Was werden wir tun dürfen? Wie wird man uns eine Woche lang beschäftigen?
Das Wetter war kalt, sehr kalt sogar, aber zunächst trocken. Der Wind ließ die zwei Grad plus, wie minus fünf, sechs Grad fühlen, aber in dem mittelalterlichen Haus war das schnell vergessen. Rund ums Kaminfeuer saßen wir dann und erzählten von unseren Beweggründen. Gut zehn Mal war ich auf meinen Reisen bereits hier gewesen, hatte auch noch mit Sir Christo ein langes Gespräch geführt und jetzt saß ich in dem Haus, das seine Familie vor über 100 Jahren erworben, umgebaut und erweitert hatte. Den Garten hat seine Mutter in den Grundzügen gemeinsam mit dem Architekten Edwin Luytens angelegt.
Blühendes Paradies
Ihr siebentes Kind, Christopher, hat ihn aber zum Aushängeschild für naturbewusstes und experimentierfreudiges Gärtnern gemacht. In einer kongenialen Partnerschaft mit Fergus Gerrett ist daraus dieses blühende Paradies mit üppigen Staudenbeeten, herrlichen Blumenwiesen und einer romantischen Gärtnerei geworden. Great Dixter ist aber auch ein Treffpunkt für alle Gartenbegeisterten. Studenten können hier lernen, wie man gärtnert und Fergus lehrt sie gern und intensiv. So wie er von sich selbst alles abverlangt, macht er das auch mit seinen Schülern. Oder eben seinen Kursteilnehmern. Der Montag-Morgen-Himmel war wolkenverhangen, die Temperatur war in den Morgenstunden gefühlt noch frostiger, als am Tag davor. „Warm anziehen“ lautete die Botschaft. Meine neue, winddichte Arbeitskleidung hat sich gelohnt.
Wie man eine Strauchrose „wiederbelebt“
Mit dicker Haube und Winterhandschuhen ging es nun zur Sache – Schneiden. Zuerst müssen alle zusehen, wie Fergus eine Strauchrose „renewed“, also wiederbelebt. Dann bekommt eine jede Zweier-Gruppe ein Objekt zugeteilt. Die Kanadierin („Great Dixter?“) und ich waren sofort ein Dream-Team. Zuerst zaghaft musste ich sie eher bremsen, war ich zu rigide, kam ihr „Oh no, Karl!“. Wir speisten gemeinsam – Aaron, der Gemüsegärtner und Hüter des Hauses, kocht Lunch und meist auch gleich das abendliche Dinner. Zwischendurch gab es Tee oder Kaffee zum Aufwärmen und als Draufgabe noch Bilder.
Unsere Sträucher – vorher/nachher. Viel wurde diskutiert und viel erzählt. Es war mehr als nur schneiden, planen oder gärtnern. Es war eine Woche Leben in Dixter. Auch wenn ein Schneesturm tobte: „No problem, come on“! Und schon stand die Mannschaft mit Schere und Säge zur Stelle. Gärtnern wie die Briten, das habe ich nach dieser Woche gelernt, kann man bei den Gartenreisen bloß erkennen. Erleben kann man es nur, wenn man tatsächlich einmal hier für einige Zeit live dabei ist. Bei Sonne und Regen, bei Wind und Schnee – vor allem aber bei der liebevollen Gastfreundschaft, die einem hier in Dixter entgegenschlägt.
„Symposium“ in Great Dixter
Sechs Mal pro Jahr gibt es in Dixter diese sogenannten „Symposien“. Im zeitigen Frühjahr und Spätherbst jeweils nur für sechs bis acht Personen, weil hier auch wirklich aktiv gearbeitet wird. Im Sommer sind die Seminare auf zwölf Personen limitiert. Die Kosten liegen bei einem Allinklusiv-Preis (ohne Flug) bei etwa 2.800 Pfund. Der hohe Preis ist gerechtfertigt, denn mit dem Ertrag wird das als Trust fortgeführte Anwesen erhalten. Informationen gibt es hier: http://www.greatdixter.co.uk/learning/symposia/